BIPoCs in „Diversity“-Räumen


In der Praxis erleben jedoch viele BIPoCs in Deutschland insbesondere Schwarze Menschen, People of Color und Menschen mit Migrationserfahrung diese Räume oft als distanziert, hierarchisch und teilweise sogar unsicher.

1. DEI-Strukturen als Verlängerung weißer Institutionenkultur

Die meisten DEI-Initiativen entstehen innerhalb weiß dominierter Organisationen oder Bildungsinstitutionen. Ihre Strukturen, Sprache und Vorstellungen von „angemessenem Verhalten“ orientieren sich an westlich-europäischen bzw. nordamerikanischen Normen:

  • Kommunikationsstile (direkt, faktenorientiert, emotionsarm).
  • Entscheidungsprozesse (individualistisch statt gemeinschaftlich).
  • Konfliktbearbeitung (Fokus auf Harmonie und Komfort statt Konfrontation).

Für viele BIPoCs bedeutet dies, dass Zugehörigkeit an Code-Switching geknüpft ist an die Anpassung von Sprache, Körpersprache und Ausdrucksformen an weiße Erwartungen. Sicherheit wird so an Anpassung statt an Gerechtigkeit gebunden.

2. Anti-Blackness in „inklusiven“ Räumen

Eine unbequeme Wahrheit: Viele DEI-Räume reproduzieren genau jene Anti-Blackness, die sie zu bekämpfen vorgeben. Für Schwarze BIPoCs zeigt sich das unter anderem so:

  • Rassistische Hierarchien innerhalb von BIPoC-Gruppen: Hellere Haut, „europäischere“ Gesichtszüge oder akzentfreies Deutsch werden oft subtil bevorzugt.
  • Misstrauen gegenüber kulturellem Stolz: Traditionelle Kleidung, nicht-deutsche Muttersprachen oder Bezüge zu Herkunftsländern werden exotisiert oder als „zu viel“ bewertet.
  • Selektive Solidarität: Rassismus gegen bestimmte Gruppen wird zwar anerkannt, aber selten konsequent adressiert vor allem, wenn es weiße Komfortzonen stört oder institutionelle Interessen berührt.

3. Dynamiken innerhalb der Diaspora

Nicht alle BIPoC-Erfahrungen werden in DEI-Kontexten gleichwertig anerkannt. Historische, soziale und politische Unterschiede zwischen Communities können zu Spannungen führen:

  • Unterschiedliche Prioritäten zwischen Schwarzen Deutschen, African-Diaspora, postmigrantischen Communities und neu Zugewanderten.
  • Kolonial geprägte Blickwinkel innerhalb von BIPoC-Gruppen, die bestimmte Herkunftsgruppen abwerten.
  • Colorism verstärkt diese Ungleichheiten, da hellere Haut oft leichter akzeptiert wird auch innerhalb marginalisierter Gruppen.

4. Die unausgesprochenen Regeln von „Sicherheit“

In weiß entworfenen DEI-Programmen bedeutet „Safe Space“ oft sicher für weiße Teilnehmende nicht unbedingt für BIPoCs. Erwartet wird, dass BIPoCs:

  • Nicht „zu emotional“ auftreten.
  • Ihre Erzählungen so formulieren, dass weiße Teilnehmende sich nicht angegriffen fühlen.
  • Ihre Erfahrungen in ein westlich geprägtes Rassismus Verständnis einordnen – statt über Kolonialgeschichte, globale Ausbeutung oder neokoloniale Machtstrukturen zu sprechen.

Diese stillen Erwartungen führen dazu, dass BIPoCs sich selbst zensieren.

5. Kulturelles Unbehagen ist keine „Bildungslücke“

Wenn BIPoCs in DEI-Räumen still bleiben, wird das oft als Desinteresse oder Unwissen interpretiert. Dabei steckt oft dahinter:

  • Kulturelle Respektsnormen (erst sprechen, wenn Ältere oder Leitungsfiguren gesprochen haben).
  • Angst vor Sanktionen, wenn Rassismus klar benannt wird.
  • Erfahrung mit institutionellerWirkungslosigkeit wenn Kritik an Rassismus in endlosen Diversity-Reports, aber nicht in strukturellen Veränderungen landet.

6. Die Kosten der Teilnahme

Ohne echte kulturelle Sicherheit hat die Teilnahme an solchen Räumen ihren Preis:

  • Psychische Belastung durch permanentes Selbstmonitoring.
  • Emotionaler Verschleiß durch ständiges Erklären, ohne selbst etwas zu bekommen.
  • Berufliche Risiken, wenn offenes Ansprechen von Rassismus die Karriere oder den Aufenthaltsstatus gefährdet.

7. Vom Token zur Transformation

Damit DEI-Räume BIPoCs tatsächlich dienen, müssen weiße Institutionen:

  • Ihre eigenen Rahmenwerke hinterfragen: Wessen Kultur wird zentriert?
  • Globale Machtverhältnisse berücksichtigen: Rassismus ist nicht nur individuell, sondern auch geopolitisch.
  • Weiße Anerkennung als Messlatte abschaffen.
  • Diversität innerhalb von BIPoC-Communities anerkennen und interne Hierarchien abbauen.

Schlusswort:
Sicherheit in DEI-Räumen kann nicht ausgerufen werden sie muss geschaffen werden.
Für BIPoCs in Deutschland bedeutet das: Nicht nur eingeladen zu werden, sondern die Freiheit zu haben, die eigene Geschichte, Sprache und Perspektive ohne Angst vor Sanktionen einzubringen. Solange dies nicht geschieht, werden viele diese „inklusiven“ Räume weiterhin als alles andere als sicher empfinden.

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